Nach dem Urteil des OLG München stellt auch eine Veröffentlichung in einem Online-Nachschlagewerk eine wettbewerbsrelevante Handlung dar und kann von einem Wettbewerber untersagt werden:

OLG München 29. Zivilsenat, Urteil vom 10.05.2012, 29 U 515/12

§ 2 Nr 1 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr 3 UWG, § 8 Abs 1 UWG, § 8 Abs 3 Nr 1 UWG
Tenor

1. Auf die Berufung der Antragsgegner wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10.01.2012 teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 04.10.2011 wird in folgendem Umfang aufrechterhalten:

1. Den Antragsgegnern wird zugunsten der Antragstellerin zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – (wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) am Geschäftsführer zu vollziehen ist) wegen jeder Zuwiderhandlung

untersagt,

in Artikeln des Online-Nachschlagewerks „Wikipedia“ eine oder mehrere der folgenden Behauptungen aufzustellen:

a) Ein Import von Weihrauchpräparaten nach Deutschland sei mit ärztlicher Verordnung (Privatrezept) nicht möglich, da diese in Indien nicht aufgrund einer mit europäischen Maßstäben vergleichbaren Zulassung als Arzneimittel zugelassen seien;

b) Weihrauchpräparate, die in Indien als „ayurvedic medicine“ bzw. „ayurvedic drugs“ im Handel sind, seien in der Europäischen Union rechtlich als „Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ zu qualifizieren, somit gebe es keine importierbaren „Arzneimittel“;

c) das Erzeugnis „H 15 Gufic“ sei in Deutschland zur Zeit nicht verfügbar, da darüber Markenrechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten anhängig seien;

d) das Erzeugnis „Sallaki“ sei in Deutschland als Nahrungsergänzungsmittel in allen Apotheken erhältlich;

wenn dies jeweils geschieht wie in der nachstehend wiedergegebenen Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte

Abbildung

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Die bis zur Beschlussverfügung des Landgerichts München I vom 04.10.2011 entstanden Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin zu 1) und die Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2), die die Antragsgegner zu tragen haben. Die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.

II. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 04.10.2011 aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Antragsgegner zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.

Gründe

1

1. Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

2

2. Die zulässige Berufung der Antragsgegner ist im Wesentlichen nicht begründet.

3

a) Allerdings ist der – abstrakt gefasste – Verfügungsantrag nicht hinreichend bestimmt.

4

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (BGH GRUR 2011, 539, Rn. 11 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist nur hinnehmbar und im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht (vgl. BGH GRUR 2011, 539, Rn. 13 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). So liegt der Fall hier bezüglich des auslegungsbedürftigen Begriffs „geschäftliche Handlung“ nicht. Denn zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob das beanstandete Verhalten des Antragsgegners zu 1. eine geschäftliche Handlung darstellt.

5

b) Die Antragstellerin zu 2) hat jedoch mit ihrem Vorbringen zu erkennen gegeben, dass jedenfalls die konkret beanstandete Verhaltensweise verboten werden soll. Der abstrakt gefasste Antrag umfasst die Unterlassung der konkreten Verletzungsform (vgl. Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) als Minus (vgl. BGH GRUR 2012, 405, Rn. 16 – Kreditkontrolle). Dem wird durch Ziffer 1. I. 1. des Tenors des vorliegenden Urteils Rechnung getragen.

6

c) Der Antragstellerin zu 2) steht der mit dem Tenor des vorliegenden Urteils ausgeurteilte Verfügungsanspruch gegen die Antragsgegner nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 3 UWG zu.

7

aa) Die Antragstellerin zu 2) ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG als Mitbewerberin der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3), deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 1) jeweils ist und für die er bei dem beanstandeten Internetauftritt (Anlage ASt 4, Seite 1 rechte Spalte) ausweislich des Diskussionsbeitrags gemäß Anlage ASt 14, S. 4 f. gehandelt hat, aktivlegitimiert. Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt dann vor, wenn die beteiligten Unternehmen die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass die beanstandete geschäftliche Handlung das andere Unternehmen (Mitbewerber) beeinträchtigen, d.h. in seinem Absatz behindern oder stören kann (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 2, Rn. 97a). Ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis genügt; auch ein potenzieller Wettbewerb ist zu berücksichtigen (vgl. Köhler/Bornkamm aaO § 2, Rn. 96f).

8

Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht die Aktivlegitimation der Antragstellerin zu 2) zu Recht bejaht. Da im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH GRUR 2004, 877, 878 -Werbeblocker), genügt die vom Landgericht festgestellte Inhaberschaft der Antragstellerin zu 2) bezüglich der Wortmarken „Sallaki“, „H 15“ und „H 15 Gufic“ (vgl. UA S. 16 unter II. 1. b) der Entscheidungsgründe, UA S. 3 sowie Anlagenkonvolut K 17) in Verbindung mit den Rechnungskonvoluten gemäß Anlagen ASt 18 -ASt 20, die Importe von Sallaki Tablets und H 15 Gufic Tablets im Zeitraum 2008 bis 2011 betreffen. Danach ist jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass zwischen der Antragstellerin zu 2) einerseits und den Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) andererseits ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bezüglich des Absatzes von konkurrierenden Weihrauchpräparaten besteht, selbst wenn es sich bei den mit den Rechnungen Anlagen ASt 18 bis ASt 20 abgerechneten Tabletten um so genannte Bulkware handeln sollte. Denn für das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses genügt ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis. Unerheblich ist im vorliegenden Zusammenhang, ob die eigene Tätigkeit der Antragstellerin zu 2), die das Wettbewerbsverhältnis begründet, -wie die Antragsgegner geltend machen – gesetzwidrig ist (vgl. BGH GRUR 2005, 519, 520 – Vitamin-Zell-Komplex).

9

bb) Zu Recht hat das Landgericht den beanstandeten Wikipedia-Eintrag (Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) als geschäftliche Handlung des Antragsgegners zu 1) eingestuft, der ausweislich des Diskussionsbeitrags Anlage ASt 14, S. 4 f. für die Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) gehandelt hat. Geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt (§ 2 Nr. 1 UWG). Der beanstandete Wikipedia-Eintrag betrifft den Aufgabenkreis, in dem der Antragsgegner zu 1) als Geschäftsführer der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) tätig ist. Dies spricht für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung, zumal der Antragsgegner zu 1) den vorstehend genannten Diskussionsbeitrag unter dem Namen „Gallpharma“ und nicht unter seinem bürgerlichen Namen verfasst hat (vgl. Anlage ASt 14, S. 5). Hinzu kommt, dass in dem beanstandeten Wikipedia-Eintrag die von den Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel „Sallaki“ und „H 15“ als in inländischen Apotheken erhältlich herausgestellt werden, während andererseits betont wird, dass ein Import von Weihrauchpräparat-Arzneimitteln aus Indien nicht möglich sei. Damit ist der beanstandete Wikipedia-Eintrag bei objektiver Betrachtung – neben einer etwaigen allgemeinen Unterrichtung der Öffentlichkeit – jedenfalls auch darauf gerichtet, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen der Verbraucher den Absatz der von den Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel „Sallaki“ und „H 15“ zu fördern (vgl. Köhler/Bornkamm aaO § 2, Rn. 48). Ergänzend wird auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil auf Seite 16 f. unter II. 2. der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

10

cc) Ohne Erfolg wenden sich die Antragsgegner dagegen, dass das Landgericht bei dem beanstandeten Wikipedia-Eintrag (Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) eine Verschleierung des Werbecharakters im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG angenommen hat.

11

Eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen (BGH GRUR 2012, 184, Rn. 18 – Branchenbuch Berg m.w.N.). Die Vorschrift des § 4 Nr. 3 UWG dient auch der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Danach liegt eine irreführende Unterlassung vor, wenn der kommerzielle Zweck der Geschäftspraxis nicht kenntlich gemacht wird. Die Bestimmung des § 4 Nr. 3 UWG dient dem Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen (BGH GRUR 2011, 163, Rn. 21 – Flappe m.w.N.).

12

Zu Recht hat das Landgericht bei dem beanstandeten Wikipedia-Eintrag (Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG angenommen. Der Diskussionsbeitrag des Antragsgegners zu 1. (Anlage ASt 14) hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Es kann nicht angenommen, dass der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Internetnutzer neben einem Wikipedia-Eintrag regelmäßig auch zugehörige Diskussionsbeiträge zur Kenntnis nimmt, zumal wenn diese – wie im Streitfall -erst zeitversetzt online gestellt werden (vgl. Anlage ASt 4: 20.08.2011, 11:40 Uhr; Anlage ASt 14, Seite 5: 20.08.2011, 15:45 Uhr). Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein relevanter Teil der angesprochenen Verkehrskreise nur den Wikipedia-Eintrag und nicht auch den Diskussionsbeitrag zur Kenntnis nimmt. Auch wenn dem genannten Internetnutzer bewusst ist, dass Wikipedia-Einträge von jedermann – ggf. unter Abänderung von Voreinträgen – verfasst werden können, erwartet er bei Einträgen in einer derartigen Online-Enzyklopädie, zumal unter der Überschrift „Rechtslage“, keine Wirtschaftswerbung, sondern – entsprechend dem Selbstverständnis von Wikipedia (vgl. Anlage ASt 26) -neutrale Recherchen Dritter, ggf. unter zutreffender Darstellung von Streitständen. Im Streitfall wird jedenfalls gegenüber demjenigen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, der den Diskussionsbeitrag des Antragsgegners zu 1) gemäß Anlage ASt 14, Seite 4. f. nicht wahrnimmt, der kommerzielle Zweck des beanstandeten Wikipedia-Eintrags, nämlich die Förderung des Absatzes der von den Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) vertriebenen Weihrauchpräparate, nicht hinreichend kenntlich gemacht.

13

dd) Die vorstehend vorgenommene Auslegung und Anwendung von § 4 Nr. 3 UWG verletzt die Antragsgegner nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

14

(1) Allerdings ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet, ohne ausdrücklich zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung zu unterscheiden, jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Meinungsäußerungen sind durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnete Äußerungen (st. Rspr. seit BVerfGE 7, 198, 210). Dazu gehören auch Meinungsäußerungen in einem kommerziellen Kontext sowie Wirtschaftswerbung, wenn sie einen wertenden, auf Meinungsbildung gerichteten Inhalt hat. Dies gilt auch für den Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.07.2007 – 1 BvR 2041/02, Rn. 29, juris -Pharmakartell). Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf die Äußerung von Tatsachen, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.2009 -VI ZR 226/08, Rn. 15, juris – Heute wird offen gelogen).

15

(2) Das Recht der freien Meinungsäußerung findet nach Art. 5 Abs. 2 GG indes seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, darunter § 4 Nr. 3 UWG, gehören. Diese Vorschrift dient dem Schutz der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer. Die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung darf nicht dazu führen dürfen, dass Einzelne sich durch unzulässige Praktiken Vorteile im Wettbewerb verschaffen. Diese Ziele stehen mit der Wertordnung des Grundgesetzes in Einklang (vgl. BVerfGE 102, 347, 360 ff. -Benetton-Werbung I). Die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb müssen allerdings im Lichte der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gesehen und so interpretiert werden, dass der besondere Wertgehalt des Rechts der freien Meinungsäußerung gewahrt bleibt (vgl. BVerfG GRUR 2001, 1058, 1059 – Therapeutische Äquivalenz). Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zwar dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Schranken setzen, aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts ausgelegt und in seiner das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2006 – XI ZR 384/03, Rn. 99, juris m.w.N.). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Nr. 3 UWG in diesem Sinne lässt die lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit getarnter Werbung indes regelmäßig – und so auch im Streitfall – unberührt (vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 4.3, Rn. 3/22 m.w.N.). Denn mit der Verschleierung des Werbecharakters ist eine Täuschung der angesprochenen Verkehrs-kreise über den kommerziellen Zweck der betreffenden geschäftlichen Handlung verbunden. Das auf § 4 Nr. 3 UWG gestützte Verbot gemäß Ziffer 1. I. 1. des Tenors des vorliegenden Urteils erstreckt sich im Übrigen nicht auf den Inhalt des Wikipedia-Eintrags gemäß Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte als solchen. Deshalb verhilft den Antragsgegnern auch ihre Argumentation nicht zum Erfolg, dass mit dem beanstandeten Wikipedia-Eintrag einem legitimen Informationsinteresse der Verbraucher zum inländischen Status indischer Weihrauchpräparate Rechnung getragen werde.

16

ee) Die vorstehend erörterte getarnte Werbung ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG). Denn die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks des beanstandeten Wikipedia-Eintrags (Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte) ist geeignet, einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, weil vermeintlich neutralen Aussagen regelmäßig mehr Vertrauen entgegengebracht wird als als solchen gekennzeichneten Werbeaussagen.

17

ff) Aus der konkreten Verletzungshandlung (Wikipedia-Eintrag gemäß Anlage ASt 4, Seite 1, rechte Spalte), die der Antragsgegner zu 1) für die Antragsgegnerin zu 3. ebenso wie für die Antragsgegnerin zu 2. vorgenommen hat (vgl. Anlage ASt 14), resultiert auch – entgegen der Auffassung der Antragsgegner – eine Wiederholungsgefahr bezüglich der Antragsgegnerin zu 3.

18

e) Der Antragstellerin zu 2) steht auch ein Verfügungsgrund zur Seite. Die Dringlichkeit wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Die Vermutung ist im Streitfall nicht widerlegt.

19

f) Ohne Erfolg machen die Antragsgegner geltend, die Beschlussverfügung des Landgerichts München I vom 04.10.2011 sei nicht wirksam vollzogen worden, weil die Geschäftsführer der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) darin – ebenso wie im Antragsschriftsatz vom 29.09.2011 nicht namentlich genannt sind. Dieses Unterbleiben berührt die Wirksamkeit des Verfügungsantrags nicht (vgl. Herbert Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 253, Rn. 19; BGHZ 32, 114, 118; jeweils zur Klageerhebung). Entsprechendes gilt für die Wirksamkeit der Vollziehung der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 04.10.2011 (vgl. BGH NJW 1989, 2689 [die gesetzlichen Vertreter einer Aktiengesellschaft, denen eine gegen diese Gesellschaft gerichtete Anfechtungsklage im Geschäftslokal der Aktiengesellschaft zugestellt werden soll, brauchen in der Zustellungsurkunde nicht aufgeführt werden]), die bezüglich sämtlicher Antragsgegner durch Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner am 20.10.2011 (vgl. Anlage ASt 23) erfolgt ist. Die Beschlussverfügung vom 04.10.2011 ist – entgegen der im Termin der mündlichen Verhandlung vom 10.05.2012 von den Antragsgegnern vertretenen Auffassung – auch nicht deshalb fehlerhaft mit der Folge der Unwirksamkeit der Vollziehung, weil das Landgericht im Rubrum dieser Beschlussverfügung bei den Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) jeweils den Zusatz „vertreten durch d. Geschäftsführer“ angebracht hat, der auf Seite 1 des Antragsschriftsatzes vom 29.09.2011 im dortigen Rubrum fehlt. Darin liegt kein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift betrifft nur den Sachantrag des Klägers bzw. Antragstellers (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 308, Rn. 5). Außerdem ergibt sich auch bereits aus dem Antragsschriftsatz vom 29.09.2011 mittelbar, dass die Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) durch Geschäftsführer vertreten werden. Denn auf Seite 2 dieses Schriftsatzes wird ausgeführt, dass eine ersatzweise Ordnungshaft im Falle der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist.

20

Im Übrigen ist die Androhung von Ersatzordnungshaft gegen eine zur Unterlassung verurteilte GmbH mit der Maßgabe, dass die Haft an einem der Geschäftsführer zu vollziehen sei, -auch wenn die GmbH mehrere Geschäftsführer hat -zulässig und nicht zu unbestimmt (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.1991 – I ZR 218/89, juris, Rn. 29 f. – Fachliche Empfehlung II). Entsprechendes gilt im Streitfall hinsichtlich der Androhung von Ersatzordnungshaft bezüglich der Antragsgegnerinnen zu 2) und zu 3).

21

g) Mit dem Hilfsantrag, der Antragstellerin zu 2) die Zahlung einer Sicherheitsleistung nach § 110 ZPO in Höhe von 14.000,00 € aufzuerlegen, haben die Antragsgegner keinen Erfolg.

22

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass für die Anwendung des § 110 ZPO im Streitfall kein Raum ist. § 110 Abs. 1 ZPO stellt auf Klageverfahren ab; das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann dem insbesondere wegen des Eilcharakters dieses summarischen Erkenntnisverfahrens nicht gleichgestellt werden (OLG Köln MD 2004, 1255 f.; LG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.2005 – 4b O 435/04 = BeckRS 2011, 03782). Mit der Erhebung der Prozesseinrede gemäß § 110 ZPO ist im Allgemeinen eine Verzögerung verbunden, weil dem Antragsteller Gelegenheit zu geben wäre, die Prozesskostensicherheit zu stellen. Im Hinblick auf das grundrechtlich fundierte Recht auf effizienten Rechtsschutz ist für die Anwendung des § 110 ZPO im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unabhängig vom konkreten Verfahrensverlauf kein Raum. Ergänzend wird auf die Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil auf Seite 13 unter I. der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

23

h) Auch mit dem weiteren Hilfsantrag, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, haben die Antragsgegner keinen Erfolg. Ermessensfehlerfrei hat das Landgericht es abgelehnt, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 04.10.2011 von der Leistung einer Sicherheit nach § 936, § 921 ZPO abhängig zu machen. Die Anordnung einer derartigen Sicherheitsleistung dient der Absicherung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs des Gegners nach § 945 ZPO für den durch die Vollziehung entstehenden Nachteil (vgl. Stein/Jonas/Grunsky aaO § 921, Rn. 10). Einen solchen liquidationsfähigen Vollziehungsschaden haben die Antragsgegner nicht hinreichend dargetan.

24

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 17.08.2011 – I ZR 134/10, Rn. 21, juris – Auftragsbestätigung).

Weitere Themen zum geistigen Eigentum: