Bundesgerichtshof zur Aufteilung einer unionsrechtlichen Kartellgeldbuße unter Gesamtschuldnern

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage befasst, nach welchem Maßstab eine Geldbuße, die die Europäische Kommission gegen mehrere Gesellschaften als Gesamtschuldner verhängt hat, im Innenverhältnis auf die einzelnen Schuldner zu verteilen ist.

Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2, die im August 2004 sämtliche Anteile an der Beklagten zu 1 erwarb. Zu diesem Zeitpunkt nahmen Beschäftigte der Beklagten zu 1 bereits seit einigen Monaten an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid teil, die sie ab Juli 2005 auf den Vertrieb von Magnesiumgranulat ausweiteten. Ab November 2006 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der Beklagten zu 2, bis sie zum 22. Juli 2007 vollständig ausschied.

Mit Entscheidung vom 22. Juli 2009 verhängte die Europäische Kommission (COMP/39.396, K(2009) 5791 endg) gegen die Klägerin und die Beklagten als Gesamtschuldner eine Geldbuße in Höhe von 13,3 Mio. Euro wegen Zuwiderhandlung gegen das europäische Kartellrecht im Zeitraum vom 22. April 2004 (Beklagte zu 1) bzw. 30. August 2004 (Beklagte zu 2 und Klägerin) bis zum 16. Januar 2007. Die Klägerin und die Beklagten haben die Verhängung der Geldbuße vor dem Gericht der Europäischen Union angefochten, welches – erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts – mit Urteilen vom 23. Januar 2014 (T-395/09 und T-384/09) die Geldbuße der Klägerin auf 12,3 Mio. Euro reduziert und die Nichtigkeitsklagen der Parteien im Übrigen abgewiesen hat. Nur die Beklagten haben dagegen Rechtsmittel zum Gerichtshof der Europäischen Union (C-154/14 P) eingelegt.

Die Klägerin zahlte auf die Geldbuße und angefallene Zinsen etwa 6,8 Mio. Euro. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt sie von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Erstattung dieses Betrags. Sie ist der Ansicht, dass die Geldbußen im Innenverhältnis von den Beklagten zu tragen seien, da sie, die Klägerin, sich nicht selbst an dem Kartell beteiligt habe.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Klägerin habe als Obergesellschaft die Geldbuße im Innenverhältnis allein zu tragen, weil ihr mögliche wirtschaftliche Erfolge aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten – durch Gewinnausschüttungen oder Wertsteigerung der von ihr gehaltenen Geschäftsanteile – zugeflossen seien. Ob das Kartell tatsächlich eine Rendite bewirkt habe, sei unerheblich. Auf Verursachungs- oder Verschuldensbeiträge komme es nicht an. Schadensersatzansprüche der Klägerin bestünden nicht.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts auf die Revision aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

In seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof an die im Laufe des Revisionsverfahrens ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union angeknüpft. Danach obliegt die Entscheidung über den Ausgleich im Innenverhältnis grundsätzlich den nationalen Gerichten nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts. Im vorliegenden Fall führt dies zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts und damit des § 426 BGB*.

Auf dieser Grundlage hat der Bundesgerichtshof die vom Oberlandesgericht angestellte Erwägung, die Klägerin müsse die Geldbuße als Obergesellschaft und wirtschaftliche Nutznießerin alleine tragen, als nicht tragfähig erachtet. Entsprechend der Grundregel des § 426 BGB sind vielmehr alle für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Umstände zu berücksichtigen. Ausgleichsansprüche einer Obergesellschaft gegen abhängige Gesellschaften können zwar im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Das Bestehen einer solchen Vereinbarung hat das Oberlandesgericht aber nicht festgestellt.

Nach der Zurückverweisung wird das Oberlandesgericht die für den Streitfall relevanten Umstände festzustellen haben. Dazu gehören insbesondere die den Beteiligten anzulastenden Verursachungs- und Verschuldensbeiträge sowie die ihnen aufgrund des Kartellverstoßes zugeflossenen Mehrerlöse oder sonstigen Vorteile.

* § 426 BGB (Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang)

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

Urteil vom 18. November 2014, KZR 15/12 – Calciumcarbid-Kartell II

OLG München – Urteil vom 9. Februar 2012 – U 3283/11 Kart

WuW/E DE-R 3835

LG München I – Urteil vom 13. Juli 2011 – 37 O 20080/10″

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