BGH URTEIL I ZR 187/09 vom 17. Januar 2013 – Flonicamid

Ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel verliert mit der Entfernung seiner (Pri-mär-)Verpackung seine Verkehrsfähigkeit.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Prof. Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandes-gerichts Stuttgart vom 5. November 2009 wird auf Kosten der Be-klagten zurückgewiesen.

Tatbestand:
Die Klägerin ist ein in Belgien ansässiges Unternehmen, das Pflanzen-schutzmittel europaweit vertreibt, darunter das Insektizid „Teppeki“ mit dem Wirkstoff „Flonicamid“. Für dieses Mittel verfügt die ISK Biosciences Europe SA über eine Zulassung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Le-bensmittelsicherheit (im Weiteren: Bundesamt) für Deutschland.
Die in den Niederlanden ansässige Beklagte importiert Pflanzenschutz-mittel und bringt sie in Deutschland in Verkehr. Im Juni 2008 lieferte sie ein Mit-tel „REALCHEMIE Flonicamid“ in einem Gebinde mit 500 Gramm Inhalt an ei-nen Kunden in Immenstaad am Bodensee. Auf dem Etikett des Produkts be-fand sich unter dem für das Mittel verwendeten Namen die Aufschrift „Refe-renzmittel Teppeki“ mit einem Sternchenhinweis. Dieser führte zu der auf dem Rückenetikett angebrachten Erläuterung, „Teppeki“ sei eine eingetragene Mar-ke der ISK Biosciences Europe SA. Auf dem Rückenetikett befand sich außer dem ein Aufkleber mit der Aufschrift „Re-Import“. Für das Mittel „REALCHEMIE Flonicamid“ bestand keine Zulassung als Pflanzenschutzmittel durch das Bun-desamt. Die Beklagte verfügte auch nicht über eine Verkehrsfähigkeitsbeschei-nigung des Bundesamts für dieses Mittel. Das Gebinde des Mittels entsprach auch nicht dem des Pflanzenschutzmittels „Teppeki“.
Die Klägerin hält den Vertrieb von „REALCHEMIE Flonicamid“ für rechts- und wettbewerbswidrig. Sie hat mit ihrer gegen die Beklagte erhobenen Klage soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das Pflanzenschutzmittel „RE-ALCHEMIE Flonicamid“ anzubieten, vorrätig zur Abgabe zu halten, feilzuhalten oder in jedweder anderen Form an andere abzugeben, solange es nicht vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen oder für verkehrsfähig bescheinigt worden ist.
Darüber hinaus hat die Klägerin die Beklagte auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatzpflicht begehrt.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, das Mittel „REAL-CHEMIE Flonicamid“ sei das Originalmittel „Teppeki“, das in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgeführt, von ihr dort aufgekauft, um-gepackt und wieder nach Deutschland eingeführt worden sei. Als bereits zuge-lassenes reimportiertes Mittel sei es hier ohne weiteres verkehrsfähig.
Das Landgericht hat die Beklagte mit der Einschränkung, dass für diese auch keine Vertriebsnummer aufgrund einer Vertriebsvereinbarung mit der Zu-lassungsinhaberin nach § 15d PflSchG vergeben wurde, antragsgemäß verur-teilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
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Entscheidungsgründe:
I. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts zeigen die Wertungsstruktu-ren des Pflanzenschutzrechts, dass ein Stoff angesichts der hohen Schutzgüter nicht mit der bloßen Behauptung der Übereinstimmung mit einem bereits zuge-lassenen anderen Mittel in den Verkehr gebracht werden darf, sondern insoweit eine Übereinstimmungskontrolle erforderlich ist. Ein reimportiertes Mittel sei danach nur dann verkehrsfähig, wenn es sich auch in seiner Bezeichnung und in seiner maßgeblichen stofflichen Zusammensetzung um das identische Pro-dukt handele. Die erforderliche Bezeichnungsidentität ergebe sich hier nicht aus den Angaben „Referenzmittel Teppeki“ und „Re-Import“. Diese Angaben änder-ten nichts an der Abweichung in der Produktbezeichnung und seien zudem im Hinblick auf den Grad der Übereinstimmung mehrdeutig und unklar. Die Beklag-te habe auch nicht behauptet, dass für die hier vorliegende Fallgestaltung kein im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit erforderliches vereinfachtes Zulas-sungsverfahren zur Verfügung stehe.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Beru-fungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klage gemäß den Bestim-mungen, die zum Zeitpunkt der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten gegolten haben, begründet war (dazu unter II 1). Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch erweist sich auch auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage als berechtigt (dazu unter II 2). Danach bestehen die von der Kläge-rin des Weiteren geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht ebenfalls im vollen Umfang (dazu unter II 3). Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union besteht kein Anlass (dazu unter II 4).
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1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als auf der Grundlage der §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG (in der Fassung, in der diese Bestimmung in der Zeit vom 1. November 2002 bis zum 13. Februar 2012 gegolten hat; im Weiteren: § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG 2002), Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehr-bringen von Pflanzenschutzmitteln und § 242 BGB begründet angesehen.
a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG 2002 durften Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen war, nur in Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt für Ver-braucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen waren. Die Vorschrift diente der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG. Nach dieser Bestimmung, die bis zum 13. Juni 2011 galt, waren die Mitgliedstaaten ver-pflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in ihrem Gebiet zu anderen als For-schungsoder Entwicklungszwecken nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden durften, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen hatten. Die Zulassung galt dabei nur für Mittel mit gemeinsamem Ursprung; die Mittel mussten daher vom Zulassungsinhaber oder einem verbundenen Unternehmen oder in Lizenz nach derselben Formel und unter Verwendung desselben Wirkstoffs hergestellt sein und auch die glei-chen Wirkungen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 1999 – C-100/96, Slg. 1999, I1499 = EuZW 1999, 341 Rn. 40 – British Agrochemicals Association; Urteil vom 21. Februar 2008 – C-201/06, Slg. 2008, I735 Rn. 39 – Kommission/Frankreich). Einem von einem konkurrierenden Unternehmen parallel herge-stellten Mittel fehlte daher der erforderliche gemeinsame Ursprung, weshalb die für das Referenzmittel bestehende Zulassung von vornherein nicht auch für dieses Mittel galt (EuGH, Slg. 2008, I735 Rn. 43 – Kommission/Frankreich).
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b) Der Beklagten oblag danach der Nachweis, dass es sich bei dem von ihr in Verkehr gebrachten Mittel um das Mittel der Klägerin handelte, für das eine Zulassung bestand (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2009 I ZR 186/07, GRUR 2010, 160 Rn. 15 = WRP 2010, 250 – Quizalofop; Urteil vom 2. Februar 2012 – I ZR 81/10, GRUR 2012, 945 Rn. 32 = WRP 2012, 1222 – Tribenuronmethyl, jeweils mwN).
Sie konnte diesen Beweis im Streitfall allerdings deshalb nicht mehr füh-ren, weil das von ihr vertriebene Mittel dadurch, dass es aus seiner (primären) Verpackung herausgenommen worden war, seine – jedenfalls nach dem Vor-trag der Beklagten – zuvor gegebene Verkehrsfähigkeit verloren hatte. Der in-soweit im Streitfall gegebene Sachverhalt lässt sich schon von vornherein nicht mit den Fällen vergleichen, in denen bei Arzneimitteln das Umpacken oder Um-etikettieren als für deren Verkehrsfähigkeit unschädlich angesehen wird (vgl. auch EuGH, Slg. 2008, I735 Rn. 44 – Kommission/Frankreich); denn in jenen Fällen ist regelmäßig die Primärverpackung erhalten geblieben, so dass auch die Identität der Mittel in der Regel nicht bestritten ist. Demgegenüber besteht beim Umetikettieren und insbesondere beim Umfüllen eines Pflanzenschutzmit-tels die Gefahr seiner Verunreinigung oder sonstigen Verfälschung. Zudem können weder die Überwachungsbehörden noch die Mitbewerber und Verbän-de, die bei Rechtsverstößen gemäß § 8 Abs. 3 UWG klagebefugt sind, noch erst recht die Anwender die Übereinstimmung des gelieferten mit dem zugelas-senen Mittel überprüfen (vgl. Koof, AUR 2008, 100; Kaus, StoffR 2010, 176, 177; Ouart, StoffR 2012, 57, 74 bis 76; vgl. weiter zu Parallelimporten im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2, § 16c PflSchG 2006, Art. 52 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates Garçon in Fluck/Fischer/von Hahn, REACH + Stoffrecht, Deutsches, Europäisches und Internationales Chemikalien, Pflanzenschutz, Biozidund sonstiges Stoffrecht,
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Ordn.Nr. 1001, 13. Lfg. Januar 2012, VO 1107/2009, Überblick Rn. 90 f.; Kam-mann, StoffR 2008, 172, 176; ders., StoffR 2011, 52, 56 bis 58; Kaus, StoffR 2009, 184, 191; ders., StoffR 2010, 176, 177 ff.; Stallberg, StoffR 2009, 216, 221; Ouart, StoffR 2012, 57, 68 bis 70). Soweit dieser Sichtweise entgegenge-halten wird, sie verletze die unionsrechtlich vorgesehene strikte Trennung zwi-schen Vor- und Nachmarktkontrolle (vgl. Winkelmüller/Schink, AUR 2011, 381, 384 f.; vgl. weiter – zum Umpacken bei Parallelimporten gemäß Art. 52 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1109/2009 – Geesmann, StoffR 2011, 134, 135 ff.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012, 142, 146 f.), bleibt unberücksichtigt, dass der Uni-onsgesetzgeber gerade auch bei parallelimportierten Pflanzenschutzmitteln Veränderungen an der Verpackung in Art. 52 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 der Kontrolle im Genehmigungsverfahren unterstellt hat (vgl. ferner Ouart, StoffR 2012, 57, 75).
c) Es ist weder ersichtlich noch im Übrigen auch konkret vorgetragen, dass die vorstehende Sichtweise zu einer Beschränkung der Warenverkehrs-freiheit gemäß Art. 34 AEUV führt. Zumindest aber wäre eine solche Beschrän-kung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt (vgl. Ouart, StoffR 2012, 57, 76; vgl. weiter Garçon in Fluck/Fischer/von Hahn aaO Rn. 92 f.). Soweit die Revisi-on geltend macht, dass allenfalls ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für das streitgegenständliche Pflanzenschutzmittel nach seinem von der Beklagten be-haupteten Reimport unionsrechtskonform wäre, lässt sie unberücksichtigt, dass dieses Mittel aufgrund der Entfernung seiner Primärverpackung nach den oben unter Randnummer 12 angestellten Erwägungen nicht mehr als zugelassenes Mittel anzusehen ist.
d) Die nach den Bestimmungen, die im Zeitpunkt der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten gegolten haben, des Weiteren erforderlichen
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Voraussetzungen der Klageansprüche sind ebenfalls erfüllt (vgl. BGH, GRUR 2012, 945 Rn. 29 und 31 – Tribenuronmethyl, mwN). Das Verhalten der Beklag-ten war auch – anders als ihr Verhalten in dem der Senatsentscheidung „Delan“ zugrundeliegenden Fall (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 117/10, GRUR 2012, 407 Rn. 37 = WRP 2012, 456) – als fahrlässig und daher schuld-haft im Sinne des § 9 UWG anzusehen; denn die Beklagte hat sich dabei er-kennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem sie eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit ihres Verhaltens jedenfalls in Betracht ziehen musste. Dies reicht für die Annahme eines zumindest fahrlässigen Verhaltens aus (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 – I ZR 135/06, GRUR 2009, 685 Rn. 34 = WRP 2009, 803 – ahd.de, mwN).
2. Soweit das Berufungsurteil auf ein Unterlassen gerichtet ist, kann es nur Bestand haben, wenn das beanstandete Verhalten auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch zu untersagen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Auch auf der Grundlage des heute geltenden Rechts (§§ 8, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG 2008 i.V.m. Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) stellt sich die Klage als be-gründet dar.
a) Nach der heute geltenden Rechtslage bedarf die Beklagte – wie schon im alten Recht – für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Produkts im Inland grundsätzlich einer Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (§ 28 Abs. 1 PflSchG 2012), über die sie unstreitig nicht verfügt. Eine solche Zulassung ist vorliegend nicht entbehrlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte sich auf eine für den Parallelhandel erteilte Genehmi-gung nach Art. 52 der Verordnung stützen könnte (dazu aa) oder wenn es sich um einen Reimport handelte, für den es keiner gesonderten Zulassung bedürfte (dazu bb).
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aa) Über eine Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung verfügt die Beklagte nicht. Die Voraussetzungen, die die Verordnung für die Erteilung einer solchen Genehmigung vorsieht, wären im Streitfall auch nicht erfüllt gewesen. Die für den Parallelhandel vorgesehene Erteilung der Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung setzt voraus, dass das Pflanzenschutzmittel in einem EU-Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist und in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebracht werden soll, in dem für ein identisches Mittel (Referenzmittel) bereits eine Zulassung besteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, braucht lediglich noch die Identität des in Verkehr zu bringenden Mittels mit dem Referenzmittel festgestellt zu werden (Art. 52 Abs. 1 der Verordnung). Die Beklagte hat sich nicht darauf berufen, dass das von ihr aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführte Pflanzenschutzmittel dort aufgrund einer Zulassung nach Art. 28 der Verordnung verkehrsfähig gewesen wäre. Sie hat vielmehr deutlich gemacht, dass ihr das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 52 der Verordnung deswegen nicht offenstand, weil sie sich nicht auf eine Zulassung und damit auf die Verkehrsfähigkeit im Ursprungsmitgliedstaat, also in dem Mitgliedstaat stützen konnte, aus dem das fragliche Pflanzenschutzmit-tel nach Deutschland (wieder-)eingeführt worden ist.
bb) Auch ein Reimport, für den es keiner gesonderten Zulassung bedarf, liegt im Streitfall nicht vor.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass das Pflanzenschutzmittel, dessen Inverkehrbringen von der Klägerin beanstandet wird, in Deutschland erworben und in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sei, bevor sie es umge-packt, mit einem eigenen Etikett versehen und wieder nach Deutschland einge-führt habe. Damit liegen die Voraussetzungen nicht vor, die das Gesetz an ei-nen Reimport stellt, für den keine gesonderte Zulassung oder Genehmigung erforderlich ist. Zwar ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 2 PflSchG, dass ein Re-
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import keiner Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung – und damit erst recht keiner (erneuten) Zulassung nach Art. 28 der Verordnung – bedarf. Ein Reim-port liegt indessen nach § 2 Nr. 17 PflSchG 2012 nur dann vor, wenn ein in Deutschland zugelassenes Pflanzenschutzmittel in seiner für das Inverkehr-bringen in Deutschland bestimmten Originalverpackung und Originaletikettie-rung aus einem anderen Staat wieder eingeführt wird.
b) Die deutsche Regelung, nach der die Verkehrsfähigkeit von reimpor-tierten Pflanzenschutzmitteln davon abhängt, dass sie nicht umgepackt und nicht umetikettiert worden sind, ist mit dem Unionsrecht vereinbar. Dies wird aus der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 deutlich, die das vereinfachte Geneh-migungsverfahren des Art. 52 an ganz bestimmte, im Streitfall nicht gegebene Voraussetzungen knüpft (dazu oben Rn. 17). Hintergrund dieser Regelung ist, dass es mit der Warenverkehrsfreiheit des Art. 34 AEUV nicht in Einklang stün-de, wenn die Einfuhr und das Inverkehrbringen eines im EU-Ausland verkehrs-fähigen Pflanzenschutzmittels, das mit einem im Inland zugelassenen Mittel (ursprungs-)identisch ist, einer (erneuten) vollen Zulassung bedürfte. Der Uni-onsgesetzgeber hat daher für diese Konstellation das vereinfachte Genehmi-gungsverfahren vorgesehen, in dem lediglich die Identität des einzuführenden mit dem Referenzmittel geprüft wird.
Der Streitfall zeichnet sich dadurch aus, dass das in Rede stehende Pro-dukt nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen der Beklagten aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat verbracht und von dort wieder nach Deutschland eingeführt worden ist, ohne dass es in diesem ande-ren Mitgliedstaat verkehrsfähig gewesen wäre. Es ist unionsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern sogar geboten, dass der nationale Gesetzgeber für eine solche Konstellation, in der das in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorge-sehene, auf eine Identitätsprüfung beschränkte Genehmigungsverfahren nicht
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zur Verfügung steht, eine Berufung auf die im Inland bestehende Zulassung auf die Fälle beschränkt, in denen das zu reimportierende Produkt sich noch in der Originalverpackung befindet und noch mit dem Originaletikett versehen ist. Denn andernfalls fände keinerlei Überprüfung der (Ursprungs-)Identität statt. Allein die Versicherung des (Re-)Importeurs, es handele sich um ein im Inland zugelassenes Pflanzenschutzmittel, kann für eine Verkehrsfähigkeit nicht aus-reichen.
c) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Geesmann, StoffR 2011, 134, 135 f.; Schink/Winkelmüller, StoffR 2012, 142, 146 f.) kann aus dem Umstand, dass nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. i der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Größe und das Material der Verpackung des Pflanzen-schutzmittels in der für dieses Mittel erteilten Zulassung festgelegt werden kann, nicht aber festgelegt werden muss, auch nicht geschlossen werden, dass Erwerber des Mittels, die – wie die Beklagte – dieses weitervertreiben wollen, es grundsätzlich auch in einer neuen primären Verpackung anbieten können. Die Gegenmeinung berücksichtigt nicht hinreichend, dass auch beim in Art. 52 der Verordnung geregelten Parallelhandel das einzuführende Pflanzenschutzmittel nur dann im Einfuhrmitgliedstaat verkehrsfähig ist, wenn die dort für die Ertei-lung der Genehmigung zuständige Behörde festgestellt hat, dass dieses Mittel mit dem im Einfuhrmitgliedstaat zugelassenen Referenzmittel identisch ist; die unversehrte Verpackung stellt dabei einen wichtigen Hinweis auf die Identität dar.
3. Nach den vorstehenden Ausführungen besteht auch kein Anlass, die von der Klägerin des Weiteren geltend gemachten Ansprüche auf Auskunftser-teilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zeitlich zu beschränken.
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4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2008 – C-428 bis 434/06, Slg. 2008, I-6747 = EuZW 2008, 758 Rn. 42 – UGT-Rioja u.a., mwN). Der Senat hält es nach den angestellten Erwägungen für ausgeschlossen, dass das Unionsrecht es in einer dem Streitfall entsprechen-den Konstellation gebietet, auch ohne Prüfung der (Ursprungs-)Identität von einer Verkehrsfähigkeit im Inland auszugehen.
III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 20.03.2009 – 8 O 92/08 KfH –
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 05.11.2009 – 2 U 36/09 –

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